Günter Zemella: Moral Bombing

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Die Chronologie des Luftterrors 1939–1945

Zu den unbestreitbaren Kriegsverbrechen der Alliierten zählte der anglo-amerikanische Bombenkrieg gegen die deutsche Zivilbevölkerung. Ein vergleichbares Schicksal hatte auch eine Reihe französischer, italienischer, belgischer und niederländischer Städte. Sie wurden von den Westalliierten ohne Rücksicht darauf, daß die Bomben auf verbündete Staaten fielen und dort neben Tausenden von Zivilisten unersetzliche Kulturschätze – wie etwa in Rom – ohne jede kriegerische Notwendigkeit zerstörten, in Schutt und Asche gelegt. Der verantwortliche britische Oberbefehlshaber, Luftmarschall Harris, der wegen der großen Verluste an englischen Fliegerbesatzungen von seinen britischen Landsleuten den Beinamen ›der Schlächter‹ erhielt, wurde für dieses unchristliche Kriegsverbrechen auch noch geadelt und bekam sogar noch Jahrzehnte später ein überlebensgroßes Denkmal ausgerechnet vor einer Kirche in London gewidmet, derweil untadelige deutsche Heerführer von den Siegern verurteilt und manche von ihnen gehenkt wurden.

Nachdem der Bombenkrieg lange Zeit in der Öffentlichkeit kaum behandelt worden war, weil Deutsche die Opfer waren, erregte er durch Jörg Friedrichs Buch Der Brand im Jahre 2002 und durch den 60. Jahrestag der Zerstörung Dresdens am 12. bis 14. Februar 1945 wieder zeitweise eine größere Aufmerksamkeit in den Medien. Die Gesamtzahl deutscher Todesopfer wird auf mindestens 600000 und bis zu einer Million geschätzt. Genaue Zahlen sind hier genau so heftig umstritten wie die für das Inferno in dem durch Flüchtlinge aus Schlesien überfüllten Dresden. Es ist anscheinend eine deutsche Eigenart, die eigenen Opfer möglichst herabzurechnen, wenn man sich überhaupt ihrer erinnert, während die der anderen überhöht werden.

Wenn über den Bombenkrieg geschrieben worden ist, haben die Verfasser sich meist auf die Darstellung der Vorgänge während des Krieges beschränkt und in der Regel – auch in Anpassung in der herrschende politische Korrektheit – darauf verzichtet, die Entwicklung in der Zwischenkriegszeit zu erwähnen und die vollkommen unterschiedlichen Luftkriegsstrategien der Deutschen und der Alliierten darzustellen. In den meisten zeitgenössischen Abhandlungen, vor allem in den für ein breites Publikum bestimmten Massenmedien, wird – in Verkehrung der historischen Wirklichkeit – der deutschen Führung sogar die Schuld an der Entmenschlichung dieser Kriegführung gegeben und die furchtbare Zerstörung der deutschen Großstädte als berechtigte Reaktion der Alliierten auf die angeblichen deutschen Terrorangriffe auf Warschau, Rotterdam, London und Coventry gegeben.

Doch das stellt die historische Wirklichkeit geradezu auf den Kopf. Tatsache ist, das Großbritannien bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren den Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung plante, ab Mitte der dreißiger Jahre den Bau der dafür notwendigen Bomber begann und die entsprechende Strategie entwickelte. Die USA beteiligten sich ebenfalls spätestens seit 1936 an der Herstellung von Langstreckenbombern, so daß sie mit dem Kriegseintritt 1941 sowohl in Europa wie im Fernen Osten gegen Japan die Städte der Feinde mit Flächenbombardements belegen konnten.

Dagegen sah die deutsche Luftkriegsstrategie Flugzeuge als taktische Hilfsmittel zur Unterstützung der Bodentruppen vor, wie es zum Beispiel in den neu entwickelten Sturzkampfbombern (Stukas) zum Ausdruck kam. In den Anweisungen für den Luftkrieg wurde ausdrücklich nur der Angriff auf militärische Ziele befohlen und die Bombardierung ziviler Einrichtungen untersagt. Längst hat die Forschung nachgewiesen, daß die deutschen Angriffe auf das zur Festung erklärte Warschau im September 1939 und auf Rotterdam im Mai 1940 militärischen Zwecken galten, beide Städte vorher zur Vermeidung der Angriffe zur Übergabe aufgefordert waren, die zunächst nicht erfolgte, und die Wehrmacht die Zivilbevölkerung aufgefordert hatte, die von Bodentruppen angegriffene Stadt zu verlassen.

Für London und Coventry gilt einmal, daß schon vorher britische Flugzeuge mehrfach Berlin angegriffen hatten und daß bei beiden Städten der deutsche Angriff nicht der Zivilbevölkerung galt, sondern den Docks an der Themse sowie den wichtigen Rüstungsfabriken in Coventry.

Eine Richtigstellung dieser Bereiche der Zeitgeschichte hat vor zwei Jahren bereits Gerhard Baumfalk in seiner Broschüre Der Luftkrieg über England und Deutschland 1939–1945, die in unserem Verlag erschien, vorgenommen. Er beschreibt die Entwicklung seit dem Ersten Weltkrieg und beurteilt die anglo-amerikanischen Flächenbombardements als klare Kriegsverbrechen, die bisher ungesühnt blieben.

Bisher fehlte jedoch eine umfassende chronologisch angeordnete Darstellung der einzelnen Luftangriffe auf das Deutsche Reich in den Jahren von 1939 bis 1945. Diese Lücke hat nun Günter Zemella mit seiner im Juli erscheinenden Chronik des Bombenkrieges 1939–1945 ausgefüllt. Nach einer Einführung in die geschichtliche Entwicklung der Luftkriegsplanung bei den einzelnen Großmächten seit Beginn des Ersten Weltkrieges beschreibt er auf dem Hintergrund der allgemeinen Kriegsvorgänge zeitlich geordnet von September 1939 bis Kriegsende die einzelnen alliierten Luftangriffe mit ihren Auswirkungen, wobei er vielfach nähere Angaben aus zeitgenössischen Zeitungen beifügt. Dadurch wird das ganze Ausmaß der Flächenbombardements und ihre furchtbare Steigerung seit 1942 deutlich, als Harris den Oberbefehl über die britische Luftflotte übernahm. Eindeutig geht daraus hervor, daß das Ziel der Alliierten war, die Moral der deutschen Zivilisten zu brechen, was trotz großer Opfer nicht gelang. Eher erreichten sie das Gegenteil, indem sie die Deutschen zu einer vorher nicht gekannten Schicksalsgemeinschaft zusammenschweißten, die trotz der fast täglichen Angriffe sowohl in der Heimat 1944 noch die Rüstungsherstellung steigern konnte als auch an der Front bei der Verteidigung der Heimat zum Staunen der Welt nicht zusammenbrach.

Zur Bestätigung der Urteile über den Bombenkrieg gegen das Reich werden auch die entsprechenden Angriffe der US-Luftwaffe gegen Japan behandelt. Dabei wird herausgearbeitet, daß einzelne Angriffe mit konventionellen Bomben zum Beispiel auf Tokio mit mehr als 100000 toten Zivilisten größere Opfer forderten als jede der beiden dann noch im August 1945 zusätzlich auf das bereits kapitulationsbereite Japan abgeworfenen Atombomben.

Ein allgemeines Urteil über den alliierten Bombenkrieg sowie Ausführungen über die Nachkriegsplanungen der Alliierten für Deutschland und zur angeblichen ›Befreiung‹ der Deutschen am 8. Mai 1945 wie zur Kollektivschuldfrage beschließen den materialreichen Band, der eine wertvolle Richtigstellung zur derzeitigen Geschichtsverzerrung auch auf diesem Bereich darstellt.

352 Seiten
218 Abbildungen
Leinen

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